Systemtheorie und Konstruktivismus im praktischen Alltag | Impulse zum Nachdenken | Grundvoraussetzung für Sinnerfahrungen

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Viele Menschen sind verzweifelt auf der Suche nach einem Sinn in ihrem Leben. Das liegt unter anderem daran, daß in der modernen Gesellschaft die Sinne des Menschen immer weniger bzw. nur noch sehr begrenz und monoton angesprochen werden. Um Sinn zu finden braucht es die Sinne:

"Sinn setzt mit der Erfahrung von Sinnlichkeit ein. Aus guten Gründen tragen die Sinne des Menschen in ihrem Namen schon den Sinn, der durch sie erfahrbar wird. Der Zusammenhang, den sie herstellen, ist derjenige zwischen Selbst und Welt, vermittelt über die fünf Sinne des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens, Tastens sowie über einen sechsten Sinn, das »Bauchgefühl«. Alle Facetten des Körpers werden zum Instrument auf der Suche nach Sinn. Welche Bedeutung bereits der Sinn der Sinnlichkeit hat, ist leicht zu ermessen, wenn man sich vorstellt, was aus Welt und Selbst ohne jede Sinnesinformation werden würde: ein Nichts. Fallen einzelne Sinne aus, können andere Sinne den Verlust wettmachen; der Verlust aller Sinne aber würde das Leben verunmöglichen. Der Gewinn der Sinnlichkeit ist dabei jeweils Sinn im momentanen Leben, dem oft ein Glücksmoment des Wohlgefühlglücks entspricht: Eine bestimmte Musik zu hören, eine schöne Landschaft zu sehen, auch die Landschaft eines Gesichts oder eines ganzen Körpers; einen besonderen Duft zu riechen, ein wohlschmeckendes Essen zu kosten, den vertrauten Menschen zu betasten, ein Kribbeln im Bauch zu spüren - all das eben, was die Fülle der Sinne anspricht und woran viele Menschen dennoch Mangel leiden. [...] Der Verfall der Sinne in der technischen Welt zieht ein Verschwinden von sinnlichem Sinn nach sich, somit ein Schwinden des Zusammenhangs von Selbst und Welt. Anstelle eines integralen Sehens, Hörens, Riechens, Bewegens sitzen Menschen oft vor Bildschirmen - eine starke Einschränkung der Sinne auf den Gesichtssinn und des Gesichtssinns noch auf ein enges Gesichtsfeld. Anstatt ihrem Geschmackssinn mit wohlschmeckendem Slowfood Genüge zu tun, begnügen sich viele mit der Fadheit von Fastfood. Anstelle einer eigenen Bewegung lassen sie sich von motorisierten Gestellen bewegen, deren Geschwindigkeit kaum ein Verweilen des Blicks erlaubt. Die dünne Luft moderner Abstraktion hat letzten Endes ein sinnloses, vieler lebhafter Zusammenhänge entledigendes Leben zur Folge." 1

Diese Gedanken erklären, warum beispielsweise Spazierengehen, Wandern oder verschiedene Sportarten häufig eine sinnstiftende Wirkung haben.

Quellen:

1 Schmid, W. (2015). Glück. Alles, was Sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist (16. Auflage). Frankfurt am Main und Leipzig: Insel, 48-51.


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