Systemtheorie und Konstruktivismus im praktischen Alltag | Systemtheorie | Definition von System (4)

Struktur



Die Einzelelemente eines Systems stehen in den unterschiedlichsten Wechselbeziehungen zueiander und sind auch auf unterschiedliche Weise miteinander verbunden. Durch die hohe Komplexität dieser Wechselbeziehungen sind meist keine linear-kausalen Zusammenhänge (= eine bestimmte Ursache zieht eine bestimmte Wirkung nach sich) Ursache einer Eigenschaft oder eines Effektes, auch wenn dies oftmals so aussieht. Vielmehr handelt es sich um zirkulär-kausale Prozesse (die auch als selbstbezüglich oder selbstreferentiell bezeichnet werden), in der Ursache und Wirkung nicht genau definiert werden können (viele kennen dies auch als Fragestellung, ob als erstes die Henne oder das Ei vorhanden war). Die Definition, was in diesem zirkulär-kausalen Prozess die Ursache und was die Wirkung ist, wird willkürlich vom Beobachter festgelegt. Diese Festlegung wird als Interpunktion bezeichnet, da der Beobachter aus dem endlosen zirkulär-kausalen Kreislauf durch seine subjektive Definition eine zeitliche linear-kausale Reihenfolge festlegt.1

Desweiteren entstehen durch diese meist sehr komplexen Wechselbeziehungen völlig neue Eigenschaften des Systems, die sich nicht aus der Zusammensetzung der Eigenschaften der Einzelelemente erklären lassen. Dieser Effekt, der vielen als Spruch bekannt ist, daß das Ganze mehr ist, als die Summe seiner Teile, wird als Emergenz bezeichnet.1

Ein Beispiel für so einen zirkulär-kausalen Zusammenhang ist die anschauliche Geschichte von Paul Watzlawick2, in der ein Mann durch die Straßen läuft und dauernd in die Hände klatscht. Auf die Frage, warum er denn dauernd in die Hände klatscht, antwortet dieser, daß er die Elephanten verscheuche. Auf die Bemerkung, daß es hier doch gar keine Elephanten gebe, antwortet der Mann: "Da sehen Sie, wie gut das mit dem Klatschen funktioniert." Häufig findet man das Problem mit der zirkulären Kausalität auch in Beziehungen, in denen sich die beteiligten Personen gegenseitig die Schuld an etwas geben. Meist ist nicht eine Person schuld, sondern jede Person hat in einem zirkulären Prozess einen Beitrag zur Problemsituation geleistet. Es macht daher keinen Sinn, eine schuldige Person zu suchen, sondern man sollte versuchen zu verstehen, wie es dazu gekommen ist bzw. noch besser, eine Lösung für das Problem (Im Sinne von: Welches Ziel haben wir? Wo wollen wir hin?) zu suchen.

Die Konsequenz aus dieser Komplexität ist, daß in einem System nicht die Ursache-Wirkungs-Beziehung untersucht wird, da ein linear-kausaler Zusammenhang sehr unwahrscheinlich ist (auch wenn es häufig so aussieht). Stattdessen werden Strukturen und Funktionen (= Position und Beziehung der Einzelelemente zueinander) des Systems untersucht, um sowohl Regeln der Interaktion und Kommunikation, als auch Gesetzmäßigkeiten der Stabilität und Veränderung von Systemstrukturen und -zuständen herauszufinden.1

Auch wenn ein System stabil erscheint, ist es ständigen Veränderungen ausgesetzt.

Quellen:

1 Simon, F.B. (2015). Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus (7. Auflage). Heidelberg: Carl Auer.

2 Watzlawick, P. (1994) Anleitung zum Unglücklichsein (39. Auflage). München: Piper, 51 - 52.


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